Es wird Winter…


Nun habe ich nur noch zwei Pferde: Natascha und meine Neue, „die Kleine“. Alex und Ligeira fehlen mir schrecklich. Jetzt ist Khorsheet diejenige die als erste an den Zaun kommt. Ich bin sie jetzt 25 mal geritten, letzte Woche sogar 1x alleine bis nach Treisberg (9km), und am Samstag sogar 12km am Stück: über den Mooshof, Meerpfuhl zum Landstein. Da gab es erstmals leicht gefrorene Wege bei denen sie aufpassen musste.

Als junger Reiter hat man den Vorteil, dass man ohne Erwartungen an ein junges Pferd herangeht. Aber wenn man wie ich schon mal ein richtig tolles Pferd gehabt hat, misst man alle späteren an diesen. Bewusst oder unbewusst. Vielleicht heisst es ja deswegen „Junge Pferde – Junge Reiter“. Alte Reiter haben den Kopf nicht frei, verlangen zuviel…

Andererseits: Man hat die Erfahrung, das junge Pferd überlegt an alle Sachen heranführen, vorsichtig und in kleinen Schritten. Man wird das viel besser machen als bei seinem ersten Pferd. Aber ob sie bloß „mitmachen“ oder richtig Geist entwickeln, das merkt man wenn es wirklich drauf ankommt. Wenn man Pech hat, stellt man erst nach 1-2 Jahren Arbeit fest dass man einen Aufgeber herangezogen hat, einen Quitter. Wenn es wirklich drauf ankommt, ist nämlich der Charakter entscheidend, und der ist nicht trainierbar. Rennpferdeleute nennen das den Willen zum Sieg. Natürlich geht es um mehr als den Sieg. Es ist etwas das „da ist“ oder „nicht da ist“…

Es geht um die Lust an der Bekämpfung von Schwierigkeiten. Für ein Wanderrittpferd, um den Blick auf die weite Strecke mit gespitzten Ohren, den Willen nach vorwärts, die Neugier was hinter der nächsten Kurve ist. Auch wenn vielleicht das Wetter ungemütlich ist, das letzte Quartier nur mässig war, oder einfach alles wehtut… Die positive Grundeinstellung! Die ist beim Pferd genauso wichtig wie beim Reiter. Vielleicht sogar noch mehr!

Ich fürchte mich davor die Neue mit Erwartungen zu überfrachten, sie an einer unmessbaren Latte zu messen. Ein Fehler den ich schon einmal mit Natascha gemacht habe. Ich bin zu ihr oft ungerecht gewesen: dieses große starke Pferd, ohne körperliche Fehler – Ligeira hatte viele davon – und dann kneift sie sobald es unbequem wird. So ein Drückeberger! Vielleicht muss man ein solches Pferd verkaufen, sobald man feststellt dass einen ein bestimmter Fehler stört. Bevor man ihm ein Stigma aufpresst. Vielleicht habe ich diesen Zeitpunkt bei Natascha verpasst. Aber ich bin nun mal jemand der sich nicht leichtfertig trennt. Auch nicht von Pferden.

Khorsheet hat, soweit ich das bisher feststellen kann, keine körperlichen Mängel. Sie ist recht kräftig für einen Araber, besonders in der Hinterhand. Ihre Hufe sind sogar unerwartet gut, hart wie Stahl! Aber sie erinnert mich, obwohl sie 5-7cm größer ist, ein bisschen an  Ligeira, auf die ich eigentlich immer Rücksicht nehmen musste, solange ich sie ritt. Vielleicht aber auch nur durch ihre ähnlich liebe Art. Körperlich ist sie Quasara sehr ähnlich. Auch die war so ein richtig runder, abgedrehter Typ, mit Bedacht laufend, Typ Kinderpferd. Und wenn es drauf ankam, schnell wie der Blitz… Während Natascha mich immer mühelos getragen hat, macht mir Khorsheet durch ihre Art wie sie mich trägt wieder bewusst dass ich eigentlich eine Zumutung für sie bin, als Reiter. Sie würde das wahrscheinlich mit jedem Reiter so machen, aber egal! Bis zum nächsten Frühjahr will ich wieder 12kg abnehmen, bis zu meinem „Kampfgewicht“ aus der Distanzritt-Ära.

Das hat etwas mit Ernsthaftigkeit zu tun, mit Professionalität, mit Anspruch an mein Tun. Wir betreiben ja nicht bloß ein Hobby. Wir verlangen von unseren Pferden echt eine Menge. Da dürfen wir es uns auch nicht selber bequem machen.

Klar, die physischen Grundlagen müssen stimmen, damit ein Pferd Leistung erbringen kann. Aber das entscheidende ist der Kopf (bzw. das Herz, wenn einem das lieber ist). Und an dieser Stelle bin ich mit Khorsheet bisher sehr zufrieden. Wenn sie etwas nicht tun will, dann hat sie ihre Gründe. Sie wird dabei nicht stur oder stockig, sondern zeigt es auf charmante Art (Araber halt..), um Verständnis werbend. Letzte Woche ging sie durch die angeschwollenen Weilfurten mit gespitzten Ohren: obwohl sie ein bisschen Schiss hatte vor dem vielen Wasser. Aber sie ging! (und am Anfang wollte sie durch gar kein Wasser gehen!)

Geradezu supercool ging sie auf dem Adventsritt von Henning und Josie. Das erste Mal in einer Gruppe, und gleich so als ob sie es schon 100x gemacht hat. So richtig selbstbewusst. Da lachte mir das Herz, denn es zeigte mir dass ich bisher alles richtig gemacht hab mit ihr. Und dann der Gruppengalopp: ich hatte echt Schiss dass sie mir abgeht — und dann bleibt sie in höchster Pace Kopf an Kopf mit Natascha ohne am Strick zu zerren, und wir überholen einen Reiter nach dem andern. Und am Schluss senkt sie den Kopf ins Gras: war irgendwas?! Ligeira war nie so cool sobald es ums Rennen ging, das war immer ihr schwacher Punkt…

Ich gehöre nicht zu denen die einem Pferd den Leistungswillen absprechen bloß weil sie ein hübsches (Araber-) Köpfchen haben. Dazu hab ich zuviele Pferde kennengelernt bei denen dies gängige Vorurteil nicht stimmte: Quasara, Dscherana (meine Lieblingspferde bei Uli), schließlich auch Zhara. Ein echtes Leistungspferd braucht vielleicht nicht unbedingt so auszusehen:

Ligeira, nach dem 8.(!) Biwak, Thüringen-Wanderritt 1996

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